Riesengebirge und Rübezahl in Niederschlesien

Die Jahrhunderthalle, vor über 100 Jahren nach Plänen von Architekt Max Berg errichtet, ist in ihrer Dimension ein Wahrzeichen der Stadt Breslau. Die Jahrhunderthalle, vor über 100 Jahren nach Plänen von Architekt Max Berg errichtet, ist in ihrer Dimension ein Wahrzeichen der Stadt Breslau.

Von Hannes Krois
Zu den Märchengestalten früherer Kinderwelten zählte auch Rübezahl.

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Jener riesige Waldmensch aus dem legendären Riesengebirge. Früher zog sich hier das sogenannte Sudetenland zwischen Schlesien und Böhmen.
Heute verbinden die Gipfel des Riesengebirges mit ihrem höchsten Berg, der Schneekoppe die EU-Staaten Tschechien und Niederschlesien im heutigen Polen. Heute auch ein weltweit anerkanntes Naturschutzgebiet im Südwesten Polens. Eine Region der klaren Bäche und Flüsse, der Berge mit den tollen Kletterwänden, der Burgen und der urigen Wälder. Von Industrie keine Spur. Eingebettet in diese Gebirgswelt des Sudetenlandes präsentiert sich das Glatzer Bergland (Klodzko). Eine kleine Märchenwelt in einer wunderbaren Naturlandschaft mit zahlreichen Skipisten, Seen, kleinen Städtchen, Schlössern, der berühmten Wallfahrtskirche in Albendorf (Wambierzyce) und  zahlreiche, im einstigen kaiserlichen Deutschland höchst berühmte Kur- und Badeanstalten. Wie Bad Adelheide (Polanica Zdroj), Bad Kudowa (Kudowa Zdroj), Bad Reinerz (Dusniki Zdroj), Bad Landeck (Ladek Zdroj), Bad Warmbrunn (Cieplice Zdroj), Bad Flinsberg (Swieradow Zdroj), Bad Langenau (Dtugopole Zdroj), Bad Salzbrunn (Szczawno Zdroj), Bad Charlottenburg (Jedlina Zdroj) und Bad Dirsdorf (Przereczyn Zdroj). Die historischen Bürgerhäuser und die eleganten Kuranstalten mit den weitläufigen Parkanlagen sind ein Zeichen der langen deutschen Geschichte Schlesiens. Die reine Luft und besonders die zahlreichen Heilwässer haben das Glatzer Bergland zu einer historisch einmaligen Gesundheitsregion ausgezeichnet. Das einstige Sudetenland in der Verbindung zwischen Böhmen und Schlesien präsentiert sich in Bad Kudowa wohl einzigartig. Geht doch die Staatsgrenze zwischen Tschechien und Polen mitten durch die Gebäude des Kurortes hindurch. Das Glatzer Bergland hat seit der Neuordnung Polens in der EU auch zahlreiche Gäste und Touristen aus Deutschland. Einige suchen ihre Familienwurzeln, andere locken Natur, Sehenswürdigkeiten, Kuranwendungen und die Kulinarik.

Hübsche Büttenpapier-Schöpferinnen in der Papiermühle in Bad Reinerz.

Katholischer Treff: Die Wallfahrtskirche in Albendorf (Wambierzyce).

Was das Speisenangebot betrifft, wird hier speziell regional gekocht. Herrliche Erdäpfeln, Kraut, Rüben und Salat von den Bauern. Allerbeste Forellen aus dem frischen Gebirgswasser und Wild aus den Wäldern. Die regionalen Gerichte sind einfach, aber bemerkenswert schmackhaft. Dazu die berühmten Bierspezialitäten Polens. Wir fuhren mit dem Kleinbus von Graz über Brünn und Katowitz ins Glatzer Bergland. Unzählige Kilometer Wald. Links der Straße Tschechien, rechts Polen. Wir mit dem Bus immerfort im sogenannten Niemandsland. Irgendwann einmal auf der linken Straßenseite ein kleines Gasthaus. Somit in Tschechien. Also Rast, Klo- und Bierpause mit tschechischem Bier. Etwas später aber dennoch erreichten wir unser erstes Ziel: Bad Reinerz im Glatzer Bergland. Bad Reinerz mit seinen fünf Quellen ist ein traditionelles Heilbad bei Erkrankungen von Herz-Kreislauf, der Atemwege, Verdauung, Rheuma und Frauenleiden. Mitten im historischen Kurpark gibt es eine Statue von Fryderik Chopin. Der weltweit bekannte Pianist befand sich laut offizieller Geschichtsdeutung mit seiner Mutter und seinen Schwestern auf Kur in Bad Reinerz. Inoffiziell hatte er hier ein ordentliches „Gspusi“ mit einer jüngeren Dame. Dadurch wohl dermaßen aktiviert, daß er während des Aufenthaltes gleich zwei karitative Konzerte veranstaltete. Die für diese Aktivitäten wohl verantwortliche junge Dame wurde von der der Geschichte „weggeschwiegen“. Doch Fryderik Chopin nicht! Demnach findet seither in Bad Reinerz jeweils im August das Internationale Chopin Festival statt. Eine Großveranstaltung in Erinnerung an die „Kur“ von Chopin. Und haufenweise Japaner sind immer dabei. Denn die Japaner lieben auch Chopin. Bad Reinerz hat mit seinem kleinen historischen Stadtkern den Kommunismus „überlebt“. Die Häuserfronten sind wieder schmuck hergerichtet und mit der langen   deutschen Geschichte des Sudetenlandes und Schlesiens bestückt.

Die alte Papiermühle in Bad Reinerz  – ein viel besuchtes Museum.

Die „Villa Polonica“ im Kurpark von Bad Adelheide.

Am Rande der Stadt steht die alte Papiermühle aus dem 17. Jahrhundert. Hier wurden bis zur Erfindung der Papiererzeugung aus Holzfasern, eben textile Fetzen zu Papier verarbeitet. Man kennt den Begriff Fetzentandler für den Aufkauf der Textilabfälle zur Papiererzeugung. In dem heutigen Papiermuseum können die Besucher nach den alten Methoden ihr eigenes Papier „schöpfen“. Eine alte Handwerkszunft, die auch durch die industrielle Papiererzeugung nicht ihren Reiz verloren hat. Auf Wiedersehen Bad Reinerz! Weiter geht es in den Wallfahrtsort Albendorf (Wambierzyce). Auch schlesisches Jerusalem genannt. Gewaltig zeigt sich hier die Wallfahrtskirche ( 1683 bis 1725 erbaut). Der Kalvarienberg beinhaltet gut 100 Kapellen und 12 Steinbögen. Wallfahren macht seit je hungrig. Und demnach war unser nächstes Ziel das bemerkenswerte Hotel Villa Polanica (www.villapolanica.pl) in Bad Altheide ( Polanica Zdroj). Ein bemerkenswert 4sterniges Hotel ganz in Weiß inmitten des Kurparkes. Elitär, familiär geführt, so wie es in der Vergangenheit sein sollte.  Würde ganz gut auch zu den Sanddünen der Ostsee passen. Die Forelle aus dem glasklaren Gebirgswasser schmeckte im Restaurant jedenfalls köstlich. Auf den historisch-preußischen Wegen Niederschlesiens fuhr unser Kleinbus nach Breslau. Zielpunkt: Jahrhunderthalle. Der größte Stahlbetonbau in der Weltgeschichte. Und wiederum hatte Napoleon auch hier seine Finger drin. Wenn auch nur imaginär. Aber geschichtlich bewiesen, hatte Preußen-König Friedrich Wilhelm III. am 20. März 1813 im damals urdeutschen Breslau zum Siege über Napolelons Heere den Aufruf „ An mein Volk!“ gesetzt. Hundert Jahre später. Napoleon war schon längstens in St. Helena verblichen, bauten die Breslauer unter Architekt Max Berg das größte Monument aus Stahlbeton als bauliche Erinnerung. Die sogenannte Jahrhunderthalle mit einer Kuppel-Spannweite von 65 Metern. Ein einzigartiger Bau der Weltgeschichte. An der Finanzierung der Jahrhunderthalle hatten die Breslauer selber zu knappern. Denn der I. Weltkrieg war irgendwie dazwischen gekommen. Jedenfalls war die Jahrhunderthalle über 100 Jahre Veranstaltungsort von Feiern, Sport, Musik, Hitler und Papst. Nach einhundert Jahren ein höchst modernes Gebäude. Ein Zeichen für den Baustoff Beton. Im Außenbereich der Jahrhunderthalle zeigen die Wasserspiele, wie sie auch vor 100 Jahren perfekt funktionierten. Mittlerweile ein Hort für Erholungssuchende und Fährtensucher nach den Geschichten der Habsburger und Preußen in Schlesien.

Die 100 Meter hohe Nadel vor der Jahrhunderthalle.

Seit 1836 steht Bad Reinerz im Zeichen von Chopin.

Publiziert in Tschechien

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