Das historische Brünn sollte man gesehen haben

Reges Treiben am Krautmarkt. Im Hintergrund der Barockbrunnen nach Fischer von Erlach. Unter dem Krautmarkt die zahlreichen Kellergewölbe. Reges Treiben am Krautmarkt. Im Hintergrund der Barockbrunnen nach Fischer von Erlach. Unter dem Krautmarkt die zahlreichen Kellergewölbe.

von Hannes Krois
Diese Reportage widme ich besonders Marek&Jarka Goldberg.

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Die beiden Brünner Freunde inspirierten mich zu dieser Reise in die zweitgrößte Stadt Tschechiens. Nahezu alle richtigen Wiener haben irgendeine Verwandtschaft in Brünn. Die Stadt hat gut 400.000 Einwohner. Da gibt es das alte historische Brünn mit all seinen Gassen und Sehenswürdigkeiten und das neue Brünn mit den vielfach „ostischen“ Wohnsiedlungen, Einkaufszentren und Fabriken. Brünn ist heute ein pulsierender Wirtschaftsstandort. Doch dieses alte Brünn, eben der Stadtkern mit seinen historischen Stätten und Brauereigaststuben hat sich über all die Jahrhunderte erhalten. Hier eröffnen sich dem Touristen spannende Einblicke der Geschichte, der Kulinarik und der Kunst. Für einen Aufenthalt im alten Brünn bietet sich das Hotel International (Husova 16) bestens an, genau gegenüber vom Burgberg der alles überragenden Burg Spilberk mit den Kasematten. Die gegenüberliegende Hotelfront wurde architektonisch geschickt in die Harmonie der Altstadt eingebunden. Für einen Besuch der Altstadt ist das Auto weder nützlich noch zweckmäßig. Also Auto auf dem Hotelparkplatz abstellen und halbwegs bequeme Schuhe für das Kopfsteinpflaster anziehen. Das alte Brünn steht auf Basis der alten Befestigung kreisförmig inmitten der ansonsten großflächigen Stadt Brünn. So ist es verhältnismäßig einfach alle Sehenswürdigkeiten auf kurzen Wegen in auch relativ kurzer Zeit zu besuchen. Für die kleine Tourismusroute mit drei Kilometern sollte man schon zwei Stunden einplanen. Doch dabei wird es nicht bleiben. Denn das alte Brünn hat an jeder Ecke seine speziellen Sehenswürdigkeiten. Zudem herrliche Gastgärten und kleine Brauereikneipen mit unverschämt köstlichen und günstigen Bierspezialitäten. Die Erkundung von „Alt-Brünn“ benötigt schon zumindest ein Wochenende mit hart gedrängtem Programm. Als kulinarischen Balsam gibt es hier in den zahlreichen regional-mährischen Restaurants und Gaststätten grundehrliche bodenständige Küche. Perfekt und günstig zugleich. Die Weine stammen aus den mährischen Weinkellern und sind den sehr guten Weinen des Weinviertels sehr ähnlich. Die Biere sind in ihrer Vielfalt, Qualität und Preis buchstäblich ein „Hammer“. Bestes Schweinskarree mit Stampfkartoffeln und sensationelle Creme brulee im Restaurant Jakoby. Tolle gebratene Ente mit verschiedenen Knödeln und Top-Zitronentopfenkuchen im Pilsener Restaurant Stopkova. Herrliche Gulasch- und Bieratmos- phäre im Brauereirestaurant Pegas. Allein von der kulinarischen Seite mit den mährischen Spezialitäten und den süffigen Bieren und echt guten Weinen ist Brünn eine Reise wert. Unweit des Hotel International befindet sich als Mittelpunkt der Altstadt der Freiheitsplatz. Auf diesem einstigen unteren Marktplatz stehen zahlreiche Patrizierpaläste aus den Zeiten der Monarchie. Die berühmten Architekten Hansen und Förster konnten sich hier verwirklichen. Speziell beim sogenannten Klein-Palast. Die Unternehmerfamilie Klein war beim Bau der ersten Eisenbahnlinien in der Monarchie höchst aktiv. Schlußendlich betrieben die Klein`s Eisenwerke, Gießereien, Maschinenwerke usw. Seit einigen Jahren steht auf dem Freiheitsplatz eine millionenschwere und einzigartige Uhrmaschine. Ein schwarzer Phallus und Wunderwerk der Technik. Über eine enge Gasse kommt man zum Jakobsplatz. In der spätgotischen Jakob-Kirche liegt Luis Raduit de Souches, der Verteidiger von Brünn gegen die Schweden im 30jährigen Krieg begraben. Als Besonderheit an der Fassade hat sich Kirchen-Architekt Pilgram wegen der ausstehenden Bezahlung durch das Männchen mit dem blanken Hintern rächen können.

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Gebratene Ente mit Knödeln und Pilsner im Stopkova.

Stilvolle Fassaden zeichnen die Häuser aus.

Auch bei der Errichtung des alten Rathauses hatte Meister Pilgram aufgrund der nicht ordentlichen Bezahlung seine öffentlich-persönliche Rache. Der mittlere Fassadenturm war, ist und bleibt schief. Auf dem Krautmarkt verkaufen täglich die Gärtner, auch Hobbygärtner ihr Obst und Gemüse. Die Bewohner der Altstadt haben hier ihre traditionellen Lieferanten. Auf diesem Platz muß man untertauchen. Und zwar in die historische „Unterwelt“ von Brünn. Die Stadt war im Mittelalter ein wichtiger Handelsplatz. Über Nacht wurden die Waren in großen Kellern unterhalb des Platzes abgesichert und das Kellersystem mit den Jahren ausgebaut. Eine richtige „Katakombenstadt“ unter der Erde war entstanden. Jedes Bürgerhaus hatte über eine Treppe einen Zugang in diese Unterwelt. Hier wurden Lebensmittel eingelagert,mit Eis gekühlt und zudem auch handwerklich gearbeitet. Natürlich eine herrliche Heimstätte für die Ratten und Mäuse. Nach all den zusätzlichen Plätzen und Sehenswürdigkeiten war auch ein abendliches Kulturprogramm eingeplant. Brünn hat zahlreiche Theater. Im Focus stand das National Theater. Mit der Aufführung von Rusalka von Anton Dvorak präsentierte sich dieses Ensemble in Weltklasse. Brünn ist somit auch eine Kulturmetropole für Theater- und Opernfans. Um die gesamte Burg Spilberk mit den Kasematten und den zahlreichen Sonderausstellungen richtiggehend zu betrachten, bräuchte man schon einen ganzen Tag. Pause und Mittagessen im Burgrestaurant inklusive. Die Burg Spilberk wurde vom böhmischen König Premysl OttokarII gegründet. Im Zuge der Belagerung Brünns durch die Schweden wurde diese Burg hernach zu der mächtigsten Festung Mährens. Habsburg-Kaiser Joseph II. machte Spilberk mit seinen Kasematten zum Völkergefängnis. Politische Gefangene in Räumen mit Fenstern. Verbrecher in den Kasematten auf Massenpritschen und Schwerstverbrecher in den „Josephinischen Holzstallungen“. Ohne Licht, ohne Arzneimittel, quasi auch ohne Essen und Trinken. Ein Häftling überlebte sagenhafte 22 Monate. Kaiser Leopold stelle diese Brutalität wieder ein. Aber auch in den ehemaligen Kasematten der Grazer Burg war das Häftlingsleben nicht besser. Vielleicht sogar schlechter. Ein ganz besonderer Punkt für jeden Brünn-Besucher ist die „Villa Tugendhat“ (Cernopolni 45). Es handelt sich dabei um das Wohnhaus der jüdischen Familie Tugendhat. Errichtet 1929 nach der Planung des Architekten Ludwig Miese van der Rohe. Umgerechnete Kosten 15 Mill. Euro. Ein Haus mit auch heute noch begeisternder Funktionalität und Technik. Am großen runden Tisch im Wohnzimmer wurde übrigens die tschechisch-slowakische Souveränität unterzeichnet.

Publiziert in Tschechien

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